„Überall, wo ich hingehe, ist es wie ein Promi-Event.“ 

Das Interview mit Brianna, 1,88 m groß, ist ein übersetzter Auszug aus einer Doktorarbeit „Should women fear being too tall? A study examining the experiences of very tall women“ aus den USA, für die die Autorin neun ausführliche Interviews mit großen Frauen geführt hat. 

Wie war es für dich, bereits als Kind größer als die anderen Kinder zu sein?

Brianna: Meine Mutter ist 1,70 m groß und mein Vater 1,81 m. Ich weiß nicht, wie ich so groß geworden bin. Als ich Kind war, sagten sogar zu Besuch kommende Familienmitglieder immer: „Oh, Sie ist so groß!“ Sie haben sich nie an mich gewöhnt, nicht einmal meine eigene Familie. 

Als Kind versteht man nicht wirklich, dass es einen großen Unterschied gibt, aber dann sorgt jeder in der Welt dafür, dass man das versteht. Alles, was anders ist, erregt wirklich Aufmerksamkeit. Ich stand immer im Zentrum der Aufmerksamkeit. 

Man kämpft also im Grunde damit, zu verstehen, dass man anders ist. Aber gleichzeitig ist einem als Kind nicht so klar, dass es okay ist, anders zu sein. Man erfährt Hänseleien. Kinder sind nun mal Kinder. Sie bezeichnen Dich als „zu groß“ oder nennen Dich „Giraffe“.

Die quälendste Zeit hatte ich als junger Teenager. Es war wie: „Oh mein Gott! Ich bin eine bizarre Laune der Natur!“ In der 9. Klasse war ich bereits 1,88 m groß. Ich schoss einfach in die Höhe.

Als Teenager fühlte ich mich merkwürdig, weil jeder eine riesige Sache aus meiner Größe machte. Wie könnte man auch nicht? Es vergeht kein Tag, an dem nicht jemand etwas zu dir sagt. 

Und als Teenager?

Brianna: Als ich jünger war, hätte ich wahrscheinlich meine Größe ändern wollen. Ich wollte nur noch durch den Tag kommen. Ich weiß nicht, welche Größe ich gewählt hätte.

Ich wollte einfach so groß sein, dass es kein Problem ist. Ich habe viel Sport gemacht. Ich war wirklich gut in der Leichtathletik. Ich war auch gut im Basketball.

Wie erlebst Du als Erwachsene Deine Größe?

Brianna: Als Erwachsene habe ich mein Selbstvertrauen gefestigt. Meine Mutter hat einen großen Anteil daran, dass ich mein Selbstvertrauen gefunden habe. Sie hat mir nie das Gefühl gegeben, es wäre in Ordnung, wenn ich mich selbst bemitleide. 

Ich musste emotional in diesen Körper hineinwachsen. Diese Einstellung musste ich einfach entwickeln. Irgendwann hatte ich es einfach satt. Ich dachte mir: „Was ist falsch daran, groß zu sein? Das ist doch keine große Sache!“

Es ist, wie es ist. Entweder man liebt seine Größe oder man hasst sie. Es wird sich nicht ändern, also kommt es darauf an, wie man damit umgeht. Ich habe gelernt, dass es nur eine Entscheidung ist. 

Als ich eine junge Erwachsene wurde, habe ich nicht rebelliert, aber ich bin nicht mit dem Strom geschwommen. Ich glaube, ich habe mich entschieden, eine Führungspersönlichkeit zu sein, weil es zu nervig, zu frustrierend, zu selbstwertverletzend war, ein Mitläufer zu sein – und letztendlich wäre ich sowieso nie klein. 

Welche Dinge magst Du an Deiner Größe?

Brianna: Ich mag es jetzt, groß zu sein, einfach weil es Aufmerksamkeit bedeutet. Ich nutze sie zu meinem Vorteil. Das bin einfach ich. Eine Sache, an der die Leute definitiv nichts ändern können, ist meine Präsenz. 

Ich war schon immer schlank. Dass ich mir keine Sorgen machen muss, dünn zu bleiben, ist ein Vorteil, weil ich so groß bin. Ich glaube, weil ich dünn bin, wirke ich größer als ich bin. Je schmaler man ist, desto größer wirkt man.

Wenn ich bemerkt werden will, werde ich bemerkt. Ich bin gerne groß, weil ich nicht nur groß bin, sondern auch selbstbewusst. Ich arbeite im Verkauf und habe großartigen Erfolg, weil die Leute normalerweise stehen bleiben und mit mir reden wollen.

Wenn ich jemanden zu einer Veranstaltung einlade, werden die Kunden in neun von zehn Fällen zuerst etwas zu mir sagen. Das ist ein Kinderspiel. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich ihnen hinterherlaufen muss.

Was siehst Du als Nachteile Deiner Größe?

Brianna: Man wird immer gesehen, ob man nun gesehen werden will oder nicht. Ich habe es manchmal nicht gemocht, wenn ich Sorgen hatte oder nachdenklich war und ich einfach meine Ruhe haben wollte. Es gibt aber immer welche, die auf Dich zukommen und mit Dir reden wollen, egal wie. 

Die Leute kommen auf mich zu und sagen mir, dass ich groß sei. Das hat mich immer sehr geärgert. Wenn mir jemand sagte, dass ich groß bin, dachte ich: „Okay, das ist ja wohl klar.“ Ich weiß, dass ich groß bin. Das ist irgendwie unhöflich. Sagt einfach nichts. Ich bin 1,88 m groß. Ich trage 7 Zentimeter hohe Absätze. Ich werde immer so groß bleiben. Das war’s. 

Es ist verrückt, denn es ist die Tankstelle, der Lebensmittelladen. Wo auch immer. Es spielt keine Rolle. Ich glaube, die Leute meinen es nicht böse, oder vielleicht denken sie auch gar nicht darüber nach.

Die Menschen sollten einfach vorsichtig mit anderen Menschen sein. Es ist wie mit dem ultimativen Sprichwort: Behandle die Menschen so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Es gibt da draußen Menschen, die groß sind. Sie sind da draußen. Sie sind nur nicht in einer Gruppe. Wir sind einfach zu weit verstreut.

Ich denke, dass zu viel auf meine Größe geachtet wird. Sie machen einfach eine riesige Sache daraus. Es ist wie: „Okay, jeder will mit mir reden – wirklich jede einzelne Person?“ Überall, wo ich hingehe, ist es wie ein Promi-Event. 

Was sind deine Erfahrungen bei der Partnersuche?

Brianna: Ich habe mich bei der Partnersuche manchmal frustriert gefühlt, weil ich mich gefragt habe: „Muss ich mit jemandem ausgehen, der größer ist als ich? Was, wenn ich die Person nicht mag? Nur weil er oder sie größer ist, ist er oder sie auch passend?“ Natürlich kann ich an einer Hand abzählen, mit wie vielen Männern ich mich unterhalten habe, die größer sind als ich. 

Keiner kann mit mir zusammen sein, der nicht selbstbewusst ist. Ich sage ihnen bereits am Anfang: „Wenn du die ganze Zeit über meine Größe redest, wird es mit uns nicht funktionieren. Ich weiß, dass ich größer bin als du. Akzeptiere es einfach.“ Das ist die Art von Männern, mit denen ich ausgehe – er muss selbstbewusst sein.

Wie ist es mit dem Einkaufen von Kleidung?

Brianna: Was die Nachteile angeht, so ist das Leben ein bisschen teurer. Man muss teurere Kleidung haben, schon weil es mehr Material ist. Ich fahre einen SUV, weil ich in kein anderes Auto passe. 

Ich mochte es früher nicht, Kleidung und Sachen zu suchen, die ich wirklich gerne anziehe. Das war lästig. Als ich älter wurde, habe ich herausgefunden, was am besten passt. Ich habe mich daran gewöhnt, Kleider und Röcke zu tragen. Aus dem einfachen Grund, weil dies eine Zeit lang alles war, was ich finden konnte.

Was ist dein Gesamtfazit zu deiner Größe?

Brianna: Ich habe kein Problem mit meiner Größe. Es ist keine große Sache für mich, weil ich schon immer so war. Ich bin glücklich mit dem, was ich bin. 

Ich will nicht etwas sein, das ich nicht bin. Ich bin eine starke Person, weil ich mich all den Herausforderungen stellen musste, die meine Körpergröße mit sich bringt. 

Ich würde mich wieder für meine Größe von 1,88 m entscheiden, weil sie gut ist. Sie setzt einfach Akzente. Meine Größe sagt über mich aus, dass ich überdurchschnittlich bin. Nichts an mir ist durchschnittlich. 

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